Gänseblümchenparade
Die Aufnahme wirkt spielerisch und unter heutiger Betrachtungsweise war es vielleicht die Freude an der Selbstdarstellung, die letztlich in den weltumspannenden millionenfachen Klicks für das neuste „Selfie“ der heutigen zeit gipfelt. Die Aufnahme lässt mehr Spekulationen zu, als dass sie Aufschluss über die Ziele gibt. Diese waren möglicherweise wichtig genug, um dem Bild den offiziellen Titel „Die Worpsweder Künstler“ zu geben. Der Begriff der Gänseblümchenparade lag nahe und hat sich bis heute als eine Metapher über die ersten Maler erhalten.
Alle Künstler auf dem Foto hatten vielleicht ein Interesse an öffentlicher Wahrnehmung für den Verkauf ihrer Arbeiten. Sollte die Aufnahme in dieser Absicht entstanden sein, so wurde dieser Zweck mehr als erfüllt. Insgesamt sind wenige informationen zum Bild überliefert. Außer dem Jahr der Entstehung und den abgebildeten Künstlern wird häufig berichtet, dass wahrscheinlich Hans am Ende auf den Auslöser drückte, da er nicht auf dem Bild zu sehen ist. Zu dieser Zeit war ein Foto mit den neuesten Kameras bereits in wenigen Augenblicken belichtet. Vielleicht hatte auch der Künstler Hans Müller Brauel aus Zeven seine Plattenkamera mitgebracht, der die Fotografie früh in sein künstlerischen und wissenschaftliches Wirken mit einbezog. Die Parade der Künstler mit den vielleicht spontan gepflückten Gänseblümchen wird wohl in der Zeit ab Mai statgefunden haben, in der diese Wildblumen blühen.
Die über die Gänseblümchenparade hinaus in einigen Worpsweder Museen oder der Tourist-Info ausgestellten Fotos der Zeit zeigen, dass die Künstlergemeinschaft das Medium Fotografie nicht ablehnte, sonders es kreativ in ihre Arbeiten mit einbezog. Allen voran Heinrich Vogeler, dessen Freund, der Architekt Carl Eeg, die Fotografie für sich entdeckt hatte. Gemeinsam stellten sie Szenen in der Natur nach und dem Künstler Vogeler dienten die Bilder als Vorlage und Inspiration für Gemälde. Das war nicht selbstverständlich, denn kaum hatte das neue Medium der bildhaften Darstellung die Weltbühne Jahrzehnte zuvor erobert, reagierte die Kunstszene auf die vermeintliche Konkurrenz: „Eine Fotografie kann kein Kunstwerk sein!“ In erster Linie waren es die Porträtmaler, die in Sorge waren, ihre exklusive Kundschaft zu verlieren. Denn ein gemaltes Bildnis war teuer und galt als Ausdruck einer gehobenen sozialen Stellung.
In Worpswede jedenfalls hatte die kleine kreative Gemeinschaft diese Vorbehalte überwunden. Die Gänseblümchenparade mag auch ein Ausdruck von Experimentierfreude, Selbstdarstellung und Werbung gewesen sein. Ein gelungenes Bild mit einer Botschaft, die bis heute wirkt.
Media: 0422, Text TiPPS mit Anregungen aus Weser Kurier und einem Artikel von Julika Pole von 2012 über die Ausstellung „Worpsweder Lichtbilder“ in Bremen. Weiterhin: Kunsthalle Karlsruhe, Ausstellung von 2019 „Licht und Leinwand“. Worpsweder Tourist Info, Worpsweder Museen. Gänseblümchenparade Worpsweder Verlag.
TiPP
Dem fotografischen Wirken der Worpsweder Künstler lohnt es sich, Beachtung zu schenken für einen Blick in die Vergangenheit. Mehr dazu finden Sie in der Tourist-Info in der Bergstraße und den Worpsweder Museen.