Holtstelle an der Hamme
Ein Blick auf die Karte aus dem Jahre 1766 zeigt die zu dieser Zeit noch mäandernde Hamme mit ihren Windungen an Worpswede vorbei flussabwärts. Im Bereich der Einmündung zum Flüsschen Beek, damals „die Bäcke“ genannt“, öffnete sich der Flusslauf zu einem länglichen kleinen See, der als Holtstelle (Haltestelle) überliefert ist. Die Karte weist den Namen noch als „Holz Stelle“ aus, womit die Haltestelle gemeint war.
Die Position der seenartigen Erweiterung des Flusses war geradezu ideal für die Struktur der Torfwirtschaft, von der die Region Teufelsmoor seinerzeit bis in alle Bereiche wirtschaftlich abhängig war. Das Wirtschaftsgut „Torf“ bestimmte das Produktions- und Handelsgewerbe. Ohne Torfabbau keine Torfschiffswerft, keine Hammehütten für die Händler, kein Transportwesen und kein Heizmaterial für Bremen. Bis in den letzten Winkel erstreckten sich die Lieferketten und Dienstleistungen.
Genau das war der besondere Zweck der Holtstelle. Bis hierher konnten die größeren Lastkähne und Bockschiffe der Zwischenhändler flussaufwärts fahren. Torfstecher und Moorbauern luden kleinere Ladungen Brenntorf auf die großen Schiffe um, die den Torf gesammelt nach Bremen brachten. Aber auch das war nur ein kleiner Teil des insgesamt abgebauten Torfes. Denn überliefert sind bis zu 2.000 kleinere Torfschiffe, die ca. 30 x im Jahr nach Bremen fuhren. Überliefert sind allerdings verschiedene Zahlen zu der Menge der Torfschiffe, je nach Jahresangabe. Von 1750 an wuchs die Anzahl der Torfkähne langsam aber beständig an und erreichte wohl den Höhepunkt um 1875, als mit dem Bau der Ritterhuder Schleuse täglich bis zu 500 Schiffe die Schleuse passierten. (Media Anzahl Schiffe: Osterholzer Kreisblatt 29.1.2016).
Daraus lässt sich ableiten, dass die Holtstelle ein viel frequentierter Umschlagplatz war, nicht nur für Torf. Es entstanden die Hammehütten als Schankwirtschaften und Handelsplätze für die Waren des täglichen Bedarfs. Für die haltenden Schiffe wurde ein Ankerzoll erhoben und Kolonialwaren mussten angemeldet und verzollt werden. Vorstellbar ist, dass die Holtstelle ein Mikrokosmos der wesentlichen Handelsbewegungen seiner Zeit war.
Überliefert sind aus mehreren Quellen die vielen geglückten und auch missglückten Versuche, die mit Zoll belegten Waren an den Grenzern vorbei zu schleusen. Der Schmuggel im Teufelsmoor soll allgemein verbreitet gewesen sein.
Während die große Mehrheit der Moorbauern auf ihren kleinen Schiffen wohl eher unbedeutende Mengen an Waren unverzollt ließen, hatten einige verwegene Zeitgenossen den Schmuggel zum Geschäftsmodell entwickelt. Immer wieder machten Erzählungen die Runde vom Roten Gerd, einem besonders gerissenen Gauner dieser Art.
An der Holtstelle muss die Anzahl der Schiffsbewegungen besonders konzentriert gewesen sein. Abgesehen von den ankernden Lastkähnen, Bockschiffen und Torfkähnen, belebten die ständig vorbeifahrenden Schiffe das Bild. Und weil oberhalb der Holtstelle die Beek in die Hamme mündet, kamen aus beiden Richtungen die Boote aus den Torfabbaugebieten hier zusammen. Bei mehr als 200 Schiffen am Tag passierten wohl auch immer einige Schmuggler unerkannt die Zollstellen. Nordöstlich der Holtstelle konnten die Schmuggelboote unerkannt in den vielen Seitenarmen der Flüsse ein schnelles Versteck finden.
06rd2000mt Media: Beitragsbild / Text: TiPPS / Mit Dank: Geo-Bilddaten: Quelle: Auszug aus den Geobasisdaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen LGLN, Bereitstellung 2020
TiPP
Eine unterhaltsame und phantasievolle Story um den berühmtesten Schmuggler aus dem Teufelsmoor erzählt das erste Buch der Teufelsmoorsaga, De Rode Gerd. Hier an der Holtstelle spielten sich dramatische Szenen ab auf der Jagt nach dem Roten Gerd.
Historische Karte Teufelsmoor
Auf den historischen Karten der Haltestelle und des Teufelsmoores sind die Handlungsorte der Teufelsmoorsaga nachzuvollziehen. Wie war es damals, was war Sage, Fabel oder Märchen? Wie lebten die Menschen wirklich und warum erfanden sie so viele Geschichten über Riesen und wilde Schmuggler?
Die Haltestelle auf der Karte der "Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts. Aufgenommen durch Offiziere des Hannoverschen Ingenieurkorps 1764/66. Original: Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz Kartenabteilung.
Auf diesem Kartenausschnitt wurde das Wort "Hamme" an eine für das Verständnis des Bildes passende Stelle gerückt. Die zur Illustration eingezeichnete "Melchers Hütte" existierte damals nicht in dieser Form und ist in der Originalkarte nicht verzeichnet. Gleichwohl soll es an der Hotlstelle als Umschlagplatz von Waren, einige Hammehütten gegeben haben, die jedoch im Winter mit den Überschwemmungen abgebaut wurden.