Hund und Trost
Stefanie Garbade: Als Trauerrednerin in Osterholz-Scharmbeck findet Stefanie Garbade immer wieder kleine Geschichten, wie diese Anekdote der Jagdhündin Grace zum Trost in der Trauer. Die Trauerrede und der Abschied während der Trauerfeier ist oft der Anfang einer langen Zeit der Aufarbeitung der Vergangenheit. Aber es gibt eine Zukunft und wie so oft wird diese leichter erkannt bei kleinen Geschichten vom Leben. Hier eine der ungewöhnlichsten Hundegeschichten, lebensnah erzählt von Trauerrednerin Stefanie Garbade.
Eine Geschichte von Stefanie Garbade, Trauerbegleitung Bremen
Das Team und die Maus
„Grace, sit down!“ Firoozeh ist panisch, ruft nochmals „Grace, stopp“ – aber Grace hört nicht oder vielleicht darf auch gesagt werden, sie möchte schlichtweg nicht hören. Aufgeregt hechelnd springt die Hündin über die Couch, hin zum Bett, dann rüber zum Schreibtisch, dabei nimmt sie mit ihren Hinterläufen das Kabel der Schreibtischlampe mit, diese fällt krachend auf den Boden und zerbricht! „Stopp, Grace, sit down“! Wieder ruft Firoozeh und wieder springt Grace in heller Aufregung auf das Bett, dieses Mal fällt das Bild, welches über dem Kopfteil des großen imposanten Box Spring Bettes hängt, herunter. Ein Ölgemälde, abgebildet ist eine Dame mit blauem bauschigem Sommerkleid, einem großen Strohhut auf deren Kopf und einem sehr schönen Dalmatiner an ihrer Seite vor der Kulisse der rauen Ostsee mit blauem Himmel und einigen Wölkchen. Oh nein, denkt Firoozeh, hoffentlich ist das Bild nicht so wertvoll. Und schon hört sie das nächste Krachen und sieht, wie der dicke Volant Vorhang vor der Terassentür zu Boden fällt und dabei die Stehlampe mitreißt. Jetzt schaltet sich auch Michael, Firoozehs Mann, ein. Er hatte das Geschehen, es waren nur wenige Skunden, beobachtet und springt zum Hund, greift Grace am Halsband und ruft „Stopp“, und Grace schaut ihn an. Sie atmet schnell und schwer.
Grace ist ein wunderschöner, stattlicher Weimaraner. Sie ist wohlerzogen und es ist nicht der erste Aufenthalt im Kempinski Hotel in Heiligendamm. Firoozeh ist entsetzt, schaut auf das Chaos, dann auf Grace, auf ihren Mann und sieht auf einmal aus ihrem Augenwinkel heraus etwas vorbeihuschen. Was war das, denkt sie, und sieht im letzten Moment eine kleine graue Maus unter dem Bett verschwinden. Das war es also. Grace hatte eine Maus gesehen und ihrem Jachttrieb, den spätestens in einer solchen Situation wohl jeder Hund hat, nachgegeben. „Michael, da ist eine Maus“, ruft Firoozeh! „Wie, wo“, fragt ihr Mann, immer noch leicht geschockt. „Dort, unter dem Bett und halte um Himmels Willen Grace fest“, meint Firoozeh und schaut sich um. „Oh je, was für ein Chaos, Michael, das ist ja unangenehm“. „Schatz, wir sind in einem 5 Sterne Hotel, da wird alles geregelt! Bitte bring Grace auf die Terrasse, ich rufe an der Rezeption an.“ Firoozeh nimmt Grace an die Leine, öffnet die große Flügeltür zur zimmereigenen Terrasse und tritt mit Grace hinaus.
Die Sonne scheint auf die Terrasse, der aufgespannte große Sonnenschirm spendet jedoch angenehmen Schatten und Firoozeh setzt sich zusammen mit Grace auf einen der Rattan Sessel mit der dicken beigen Auflage. Auf dem Tisch steht ein Krug mit Eiswasser und daneben etwas frisches Obst. Die Terrasse ist eingefasst von einer weiß getünchten kleinen Mauer und Firoozeh denkt „Herrlich, was für ein Wetter und die Aufregung rückt schon wieder etwas in den Hintergrund. Anders scheint es Grace zu gehen. Sie reckt ihren Hals, um wieder ins Zimmer schauen zu können, man sieht ihr an, dass sie nichts lieber täte, als wieder auf Mäusejagd zu gehen. Währenddessen hatte Michael zum Telefonhörer gegriffen und die Rezeption kontaktiert.
Rezeptionist: "Herr Milbradt, was können wir für Sie tun"?
Michael: "In unserem Zimmer ist eine Maus".
Rezeptionist: (Schweigen, dann...) "Wie bitte"?
Michael: "Eine Maus, in unserem Zimmer ist eine Maus. Ich glaube, aktuell ist sie hinter oder auch unter dem Bett".
Rezeptionist: "Oh mein Gott, wie schrecklich. Herr Milbradt, ich bitte vielmals um Entschuldigung".
Michael: "Unser Hund hat sie entdeckt, hat versucht, zu fangen. So schnell konnten meine Frau und ich gar nicht reagieren. Hier herrscht jetzt etwas Chaos, die Schreibtischlampe ist kaputt und der Vorhang runtergerissen".
Rezeptionist: "Herr Milbradt, ich kann mich nur entschuldigen, es ist uns sehr unangenehm. Herr Milbradt, ich schicke umgehend ein Team".
Ein Team, Michael schmunzelt. Sofort denkt er an das A-Team und er ist sehr gespannt, was genau ihn jetzt erwartet. Firoozeh und Grace sind nach wie vor auf der Terrasse und er ruft Firoozeh zu „Sie schicken ein Team“! Es dauert nicht lange und er hört ein Klopfen an der Tür. Er geht zur Tür und öffnet. Vor ihm steht das Mäuse-Fang-Team bestehend aus dem Zimmerkellner, dem Zimmermädchen, dem Butler und dem Hotel Boy, bewaffnet mit einem Eimer und einem Wischmopp. Er öffnet die Tür und bittet darum, einzutreten. Der Butler meint „Herr Milbradt, wir werden die Maus fangen. Vielleicht mögen Sie solange auf Ihrer Terrasse verweilen“. Er schaut zur Terrasse, sieht dort Firoozeh und Grace, hebt die Hand und ruft Firoozeh zu: „Guten Tag Frau Milbradt, bitte entschuldigen Sie diese Unannehmlichkeiten, wir werden die Maus fangen und umgehend sämtliche Schäden beheben. Dürfen wir Ihnen zwischenzeitlich ein Getränk servieren?“ „Nein Danke, wier sind bestens versorgt“ ruft Firoozeh zurück, schaut auf Grace, die mittlerweile wieder steht und – wäre sie nicht am Stuhl angeleint – wahrscheinlich schon wieder im Jagdfieber wäre, und sagt zu ihr: „Grace, sit down“, und Grace setzt sich neben Firoozeh. Das Team begibt sich ins Zimmer.
Das Bett wird zur Seite gezogen, der Vorhang aufgenommen, die noch hängenden Vorhänge, die allesamt bodenlang sind, etwas nach oben gezogen, so dass der Blick auf den Boden frei wird. Sie klopfen auf das Bett, rücken dieses noch etwas weiter ab von der Wand und da huscht die Maus aus ihrem Versteck hervor, in der Tat war die Maus unter dem Bett. Sie huscht an der Wand entlang Richtung Schreibtisch, der Zimmerkellner, mittlerweile bewaffnet mit dem Wischmopp, hinterher. Mit dem Mopp versucht er, die Maus zu stoppen, aber diese läuft weiter, lässt sich von den Fransen des Mops nicht aufhalten. Michael sitzt auf der Mauer der Terrasse, Firoozeh auf ihrem Sessel, Grace zwischen ihnen, wobei Michael jetzt die Leine von Grace in der Hand hält und diese nicht mehr am Stuhl angeleint ist. Alle drei schauen dem Team interessiert zu, wie sie zu viert versuchen, die Maus einzukreisen, mit Hilfe des Wischmopps versuchen, deren Lauf zu stoppen. Dann passiert es, die Maus huscht durch die Terrassentür auf die Terrasse, das Team rennt hinterher. Firoozeh zieht ihre Füße hoch und sitzt jetzt mit angewinkelten Beinen auf ihrem Sessel. Grace zerrt an ihrem Halsband, wird aber von Michael eng gehalten und mit einem gezischtem „sit down“ wieder zum Sitzen gezwungen. Die Maus huscht von einer Ecke zur nächsten und ist dem Team ständig einen halben Meter voraus. Michael schaut dem Treiben amüsiert zu und fragt „Soll ich vielleicht den Hund loslassen, damit Grace die Maus fangen kann?“. „Herr Milbradt, wenn Sie das tun wollen, sehr gerne. Sie sehen, das Mäuschen ist schlau, sie entwischt uns ständig“. „Grace, fang die Maus“, sagt Michael und lässt Grace von der Leine.
Diese hatte selbstverständlich das Mäuschen ständig im Auge behalten, macht einen Satz an die Mauer, wo die Maus soeben entlang rennt und schwupp, hat sie diese zwischen ihren Zähnen. „Wollen Sie mir Ihren Eimer reichen, damit wir die Maus darin entlassen können“, fragt Michael den Butler. Dieser hat den Eimer in seiner Hand, gibt ihn weiter an Michael. Michael hält den Eimer nun Grace unter deren Maul und sagt nur „Grace, aus“ und Grace lässt die Maus in den Eimer fallen. Die Maus macht einen leicht verwirrten und angeschlagenen Eindruck, lebt aber. „Puh, was für eine Aufregung“, meint der Butler, strahlt Michael an und nimmt sich des Eimers an. „Geschafft, das war Teamwork! Frau Milbradt, Herr Milbradt, wir bitten nochmals vielmals um Entschuldigung, wir werden jetzt noch ihre Suite aufräumen und hoffen, dass sie uns diese Unannehmlichkeiten verzeihen. Bitte seien Sie heute Abend in unserem Restaurant unsere Gäste als kleine Wiedergutmachung“. „Das ist sehr freundlich, wir nehmen Ihre Einladung gerne an“, antwortet Michael. „Dürfen wir hoffen, Sie alsbald auch wieder als unsere Gäste in unserem Hotel begrüßen zu dürfen“, fragt der Butler. „Aber natürlich, Seien Sie gewiss. Wenn man so wie wir ein ebenerdiges Zimmer mit Terrasse wünscht und die Türen auch mal offenstehen, kann so etwas passieren. Da nutzt die höchste Mauer nichts“, antwortet Michael mit einem Lächeln, geht mit Grace zu dem zweiten Sessel, setzt sich hinein, schenkt sich und Firoozeh das köstliche Eiswasser ein, legt etwas frisches Obst dazu und genießt weiter diesen schönen sonnigen Tag.
Bei der Abreise wurde die Mäusejagd nochmals zu einen kurzen Gesprächsthema an der Rezeption. Das Ergebnis zum Abschied: „Eine schöne, spannende Hotelgeschichte und es kommt immer darauf an, wie damit umgegangen wurde. Und genau das wäre vorbildlich gewesen. Die Weimaranerhündin Grace ist 10 Jahre danach immer noch gern gesehener Stammgast.
Lebendig und unterhaltsam nacherzählt von Stefanie Garbade, Trauerbegleitung OHZ und Trauerrednerin aus Osterholz-Scharmbeck.
TiPP
Die kleinen Geschichten über Trauer und Trost sollen helfen, in schwerer Zeit etwas Ablenkung und Lebensmut zu finden. Fühlen Sie sich einsam und in Ihrer Trauer nicht verstanden? Rufen Sie mich gerne an!