Zionskirche Worpswede
Die Zionskirche Worpswede, oder auch oft Worpsweder Kirche genannt, kann zu ihrer Bauzeit als ein Wendepunkt des Lebens im Moor betrachtet werden. Die Initiative zum Bau der Kirche fiel zusammen mit der beginnenden Moorkultivierung durch Jürgen Christian Findorff, der einen erheblichen Anteil zum Bau der Kirche beigetragen hat. Interessant sind seine durchaus derben Worte als Begründung für den Kirchenbau (s. weiter unten).
Zu den rationalen Überlegungen war der beste und richtige Grund die tiefe Gläubigkeit der Bevölkerung damals, die im Gebet und dem Gottesdienst Halt und Besinnung von den Mühen und der Not dieser Zeit suchte. Obwohl es die Kirche zur Zeit von Fritz Mackensen bereits gab, fanden noch immer viele Gottesdienste im Freien statt. Ein besonderes Zeugnis dieser Gottesfürchtigkeit ist eines der berühmtesten Gemälde von Fritz Mackensen.
Ab etwa 1754 wurde der Bau der Kirche ernsthaft diskutiert. Es gab damals einige gute Gründe für diesen Bau und man versprach sich davon, mehrere Probleme auf einmal lösen zu können. Alteingesessene Moorbauern gerieten in Streit mit den von der königlichen Regierung in Hannover in das Moor geschickten Bauernsöhnen. Weiterhin wollte man den Menschen nicht weiter zumuten, aus den Moordörfern zum Gottesdienst, zur Hochzeit oder Beerdigung bis nach Scharmbeck zur „Mutterkirche“ St. Willehadi zu fahren. Wobei das Fahren mit dem Torfkahn gemeint war, dem besten Transportmittel im Moor seinerzeit. Die Kirche war ein Ort der sozialen Begegnungen der Menschen aus den umliegenden Moordörfern und förderte den Zusammenhalt der Moorbauern.
Und doch soll das Zusammenleben nicht immer friedlich verlaufen sein. Aus Berichten geht hervor dass die Regierung in Hannover befürchtete, Einfluss auf die Gesamtentwicklung der Moorkultivierung zu verlieren. Der Bau der Kirche Worpswede hatte gleich mehrere Funktionen. Den Menschen eine geistige Heimat zu geben, die verbindet und vor allem durch das Wort Gottes die Beziehungen untereinander zu verbessern und die Ziele der Regierung mit der Predigt zu transportieren.
Woher kommt diese Einschätzung? Mit der Baugenehmigung wurden vom König Georg II. 3.380 Reichstaler als Geschenk bewilligt. Aus Lotteriegeldern kamen nochmals 1.000 Reichstaler hinzu und der Prediger wurde überdurchschnittlich entlohnt. Auch Geschenke schaffen Abhängigkeiten und fördern Einfluss. Denn die Ziele waren „alle wirtschaftlichen Maßnahmen zur Verbesserung des Wohlstandes....“ zu erfüllen. Sozusagen hatte die Kirche auch eine gewisse mediale Funktion in einer Zeit, als Fernsehen, Rundfunk und Internet noch nicht erfunden waren.
Mit dieser kurzen Vorgeschichte wird die Worpsweder Kirche als Sehenswürdigkeit noch interessanter, denn als ein Ort der Begegnung haben sich hier neben der baulichen Besonderheit geschichtsträchtige Begebenheiten zugetragen.
Und schließlich hat diese Kirche, die so hoch am Weyerberg gelegen ist, den Torfschiffern in ihren Torfkähnen den Weg zurück von Bremen nach Hause gewiesen. Selbst heute ist auf dem bewaldeten Weyerberg die Spitze des Kirchturmes ein weithin sichtbares Wahrzeichen.
Noch während des Baues stiegen die Kosten weit über das geplante Maß, denn die Arbeiten wurden durch „feindliche Invasion“ zwei Mal unterbrochen, es wurde Material entwendet und der halbfertige Bau beschädigt.
Die Baugenehmigung verlangte, die Einrichtung „unter Vermeidung aller unnützer Zierde und Kostbarkeiten“ fertigzustellen. Die Plätze sind bei der Einweihung der Kirche zuzuteilen und es muss ein Register (Plan) erstellt werden. Von „Hofstellen, denen sie zufallen, dürfen sie zu ewigen Zeiten nicht getrennt werden“.
Zwar ist die Zeit auch über diese Anweisungen hinweggegangen. An vielen Stellen zeugt die Kirche immer noch von den Ereignissen der Jahrhunderte bis heute. Eine oft erzählte Anekdote ist, dass die heute berühmten Malerinnen „Frl. Westhoff und Frl. Becker“ am 12. August 1900 unerlaubt die Glocken läuteten. Mehr dazu weiter unten im Text.
Zitate im Stile der Zeit betonen insbesondere den Einfluss des Staates: Die Kirche in Worspwede sei „kein Gnadengeschenk des Landesherren, sondern die Forderung, durch Glückseligkeit der Menschen zur Macht des Staates zu kommen. Ohne Macht kann kein Staat glücklich sein und ohne starke Bevölkerung kann man sich keine Macht vorstellen.“ Das klingt absolutistisch und zeigt einmal mehr, dass der Zuschuss von 3.300 Talern tatsächlich kein Geschenk war, sondern eine Investition in die Entwicklung der Region. Wie auch immer es heute verstanden wird, genutzt hat die Spende sicherlich beiden Seiten.
00rd20mt Media: Text aus Quellen by TiPPS, Beitragsbild/Details ©Maren Arndt, Bild Gottesdienst Findorffs Erben. Grafik StartCARD: Gemälde Walter Bertelsmann 1877-1963, Privatbesitz / Quellen Inhalte Text u.a aus "Die Geschichte der Worpsweder Kirche" , Hans Hubert, Verlag Atelier im Bauernhaus.
TiPP
Die Worpsweder Kirche ist mehr als eine kurze Sehenswürdigkeit. Hier begegnen Sie der Geschichte Worpswedes und des Teufelsmoores in eindringlicher Weise, so, als ziehe diese Zeit geradezu lebendig an Ihnen vorüber. Stellen Sie sich vor, es gab kaum Straßen und Wege, viele Besucher damals kamen mit dem Torfkahn oder zu Fuß.
Die Einweihung der Zionskirche 1759
Superintendent Pratje reiste aus Stade an um den Eröffnungsgottesdienst zu halten. Er predigte vom Propheten Jesaja und der Wallfahrt der Erlösten zum Berg Zion. Er schlug damit einen Bogen der Hoffnung von Zion, dem Namensgeber der Worpsweder Kirche, zu den Wirren der Zeit durch den Siebenjährigen Krieg. (((INFO aus bibelwissen.de: Der Begriff “Zion“ erscheint über 150 mal in der Bibel und bedeutet im Grunde “Festung“. In der Bibel ist Zion sowohl die Stadt Davids wie auch die Gottes. Im Verlauf der Bibel wird das Wort „Zion“ von einem vorrangig physischen Ort zu einer mehr geistlichen Bedeutung transferiert.)))
Worpsweder Kirche als ein Ort der Gemeinschaft
Gottesdienst in der Worpsweder Kirche zur 800-Jahres des Künstlerdorfes Worpswede (Bild Findorffs Erben und Bearbeitung TiPPS).
Paula Becker und Clara Westhoff mussten büßen!
Eine Missetat und ihre Folgen
Was man heute als ein "Bagatelldelikt" bezeichnen würde, war damals eine "Missetat", die bestraft werden musste. Der Kirchenvorstand im Jahre 1900 hielt sich offenbar dazu befugt sich über "Strafen" Gedanken zu machen, die das Eigentum der Kirche betrafen. (Wobei auch damals es neben der staatlichen Strafgerichtsbarkeit keine weitere Instanz gab). Diese Putten in der Zionskirche Worpswede sind jedenfalls das Ergebnis einer Strafarbeit.
Doch nun der Reihe nach....
An einem Sonntagnachmittag am 12. August 1900 haben Paula Becker und Clara Westhoff den Kirchturm bestiegen und die Glocken geläutet. Was heute als Jugendstreich zu bezeichnen wäre, löste also Folgendes aus (Auszug aus dem Protokollbuch des Kirchenvorstandes): „Den öffentlichen Unfug und Mißbrauch mit den Kirchenglocken am 12. August betreffend meint der Kirchenvorstand, dass die beiden Malerinnen, Frl. Westhoff und Frl. Becker, müssen bestraft werden...und dass sie erklären mögen, ob sie für ihr dummes und böses Vergehen eine freiwillige Sühne von etwa je 100 Mark geben wollen.“
Es war ein Sühneversuch des Kirchenvorstandes, der aber abgelehnt wurde. Denn die Mittellosigkeit „der Damen“ führte dazu, dass sie eine Arbeit in der Kirche abliefern müssen. Clara Westhoff entwirft die Putten an den Ständern und Paula Becker mit einem Bild, das aber weder beschrieben noch auffindbar ist.
Jürgen Christian Findorff befürwortet den Kirchenbau
Ein Informationsblatt der Kirche überliefert die drastischen Gründe für den Kirchenbau so: (((Die Kirche wurde für höchstnötig gehalten, sollten diese neuen Anbauer und ihre Kinder nicht ganz verwildern und diese Gegend nicht eine Nation erzeugen, die außer dem Namen wenig Christliches an sich hätte und die größten Bosheiten zu begehen fähig wäre.))) Weser Kurier vom 8.9.1984, Zitat aus Bericht.
Kirche in Worpswede
Die Worpsweder Zionskirche ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen für Worpswede. Die Kirche liegt erhöht am Weyerberg und ist von fast allen Seiten über den Baumwipfeln von Weitem zu erkennen. 1759 wurde sie Kirche eingeweiht und sie ist heute das Zentrum einer aktiven Gemeinde mit einer berühmten Orgel.
Anlässlich des 800-jährigen Jubiläums des Ortes Worpswede wurde eine Kopie des berühmten Gemäldes von Fritz Mackensen an der Kirche enthüllt. Vor über hundert Jahren hatte Mackensen selbst sein Werk dort präsentiert.